Tablets, Apps und Zubehöre vor weißem Hintergrund

Barrierefreie Lernsoftware und Apps für inklusives Lernen, Teil 4

Kreativität inklusive!

Im vierten und letzten Teil unserer Reihe „Barrierefreie Lernsoftware und Apps für inklusives Lernen“ stellen wir einige Apps für die Produktion eigener, kreativer Medienprodukte vor. Die Apps sind einfach bedienbar, erzeugen kindgerechte Produkte und lassen sich in vielen inklusiven Settings einsetzen.

Inklusion fördern mit kreativen Medienproduktions-Apps

Medienproduktions-Apps ermöglichen, wie der Name unschwer vermuten lässt, die Herstellung eigener Medienprodukte. Diese können die unterschiedlichsten Formen und Formate annehmen, sprich als Bild, Text, Video, Audio oder Animation auftreten. Häufig macht es dann Sinn diese unterschiedlichen Medienprodukte  zu einem großen zusammenzufassen. So könnten  beispielsweise Fotos, selbstgemalte Bilder, ein Video und Audioaufnahmen eines Kindes im Kindergarten digital in einem eBook festgehalten werden. Für den Einsatz in inklusiven Settings sprechen:

  • Die Apps sind quasi „kinderleicht“ zu bedienen. Dies senkt die Einsatzbarrieren auf allen Seiten: Nicht nur Heranwachsende auf den unterschiedlichsten Entwicklungsstufen werden mit den meisten Apps sehr schnell zurecht kommen, da sie sehr intuitiv bedienbar sind. Auch pädagogische Fachkräfte oder Eltern ohne große medientechnische Erfahrung können die Apps leicht nutzen.
  • Mit Medienproduktions-Apps lassen sich zumeist multimediale Produkte erzeugen, d.h. Bilder, Videos, Audioaufnahmen und Text können beliebig kombiniert werden.
    Auf diese Weise lassen sich die verschiedensten Bedürfnisse berücksichtigen, z. B. wenn Heranwachsende  nicht (gut) lesen, hören, sehen oder verstehen können.
  • Nicht zuletzt gibt es in Medienproduktionen sehr viele unterschiedliche Aufnahmen, wer sich zum Beispiel keine Geschichte ausdenken möchte oder kann, kann Kulissen malen oder basteln.

Im Folgenden werden zuerst einzelne Medienproduktions-Apps vorgestellt und im Anschluss die Bündelung der Ergebnisse in einem eBook erklärt.

Stop Motion Studio

Das Prinzip hinter Stop-Motion-Filmen ist dasselbe wie das der ersten Zeichentrick-Filme von Walt Disney oder das eines Daumenkinos. Eine Figur oder ein Objekt wird durch eine minimale Bewegung zwischen den einzelnen Bild-Aufnahmen zum Leben erweckt. Umso geringer die Unterschiede zwischen zwei Bildern sind, desto flüssiger nimmt das menschliche Auge die Bewegung wahr. Über einen genauen Wert, ab wann eine Bewegung als flüssig wahrgenommen wird, streiten Wissenschaftler nach wie vor. Als Orientierung kann hier aber die Projektionstechnik in Kinos herangezogen werden, welche Kinofilme mit 24 Bildern pro Sekunde wiedergibt. Für uns bedeutet dies, dass 24 Einzelbilder eine Sekunde Film ergeben. In der StopMotion-App lässt sich die Anzahl der angezeigten Bilder pro Sekunde aber auch verringern, denn nicht immer kann die nötige Geduld aufgebracht werden, um knapp 100 Fotos in vier Sekunden Film umzuwandeln.

Screenshot der App "StopMotion Studio" zu sehen sind zwei PlaymobilfigurenFür die inklusive Medienarbeit eignet sich diese App, da sie viele Sprach- und Kommunikationsanlässe für das Kind bietet. Besonders dann, wenn das Kind eigene Action-Figuren, Puppen, Spielzeuge, etc. von zu Hause mitbringt, mit denen es bereits eine Geschichte verbindet. Sprach- und Kommunikationsanlässe entstehen zum einen zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft, zum anderen aber auch für das Kind selbst. Denn dieses kann die Dialoge für den eigenen Film selbst einsprechen. Ein Beispiel für ein inklusives Stop-Motion-Projekt, mit dem gezielt Sprache und Kommunikation gefördert wurde, ist das Projekt „Kommissar Kugelblitz und das halbe Klavier. Ein inklusives Brickfilmprojekt mit Aspekten der Leseförderung“ von Ella Dorothea Polenz.

Hinzu kommt die einfache Bedienung der App. Denn diese lässt sich, wenn einmal alles aufgebaut ist, sehr leicht bedienen. Das Kind kann ein Bild machen, die Figuren bewegen und dann das nächste Bild machen, oder sich das bereits gedrehte Material anschauen. Alles in selbstgewähltem Tempo. Selbstverständlich kann auch in Zusammenarbeit mit anderen Kindern und deren Figuren ein gemeinsamer Film gedreht werden.

Puppet Pals 2: School Edition

Zu dieser App lässt sich ebenso ein analoges Äquivalent aus dem Kinderzimmer finden. Nachdem sich das Stop Motion Studio der Funktionsweise von Daumenkinos bedient, stellt die App Puppet Pals ein digitales Puppentheater dar. Auch hier liegt, wie bei den anderen Medienproduktions-Apps zuvor, der inklusive Charakter in den vielen entstehenden Sprach-, Kommunikations- und Erzählanlässen.

Screenshot der App "PuppetPals" zu sehen sind drei Charaktere.

Die Funktionsweise der App ist dabei denkbar einfach. Zuerst wird das entsprechende Szenario ausgewählt. Etliche sind bereits enthalten, es können aber auch eigene Szenarien erstellt werden. Hierzu wird einfach ein Foto aus dem Fotoalbum des iPads benutzt. Verknüpfungen zu bekannten oder vertrauten Orten des Kindes können also hergestellt werden. Nachdem ein passendes Bühnenbild gefunden wurde, gilt es Darsteller für das eigene Bühnenstück auszuwählen. Hier kann aus etlichen, teils historischen Charakteren gewählt werden oder ein Foto aus der Bibliothek des iPads genutzt oder ein neues aufgenommen werden.
Wenn alle Figuren am gewünschten Ort platziert sind, kann die Aufnahme gestartet werden. Es können alle Figuren mit einem einfachen Fingerwisch bewegt werden. Durch ein Tippen auf die Figur bewegt diese den Mund, die Arme oder Beine. Alle Bewegungen der Figuren werden nun aufgezeichnet und die gesprochenen Worte des Kindes werden zum Dialog zwischen den Figuren.

Toontastic 3D

Toontastic 3D funktioniert nach dem selben Prinzip wie Puppet Pals und fungiert als virtuelles Puppentheater, in dem kurze Sequenzen eingespielt und vertont werden. Deshalb wird an dieser Stelle von einer weiteren Beschreibung der App abgesehen und stattdessen werden die Unterschiede zu Puppet Pals aufgezeigt.

Screenshot der App "Toontastic 3D" zu sehen sind drei Charaktere in einem virtuellen Klassenzimmer.Ein großer Unterschied liegt in der Darstellung der Szenarien und Charaktere. Diese werden zwar komplett dreidimensional dargestellt, die Kameraperspektive bleibt aber wie bei Puppet Pals fest in der Ansicht verankert. Die einzelnen Spielfiguren können zudem mit gewissen Gegenständen aus ihrer Umwelt interagieren und ermöglichen so das Erzählen komplexerer Geschichten. Zusätzlich zur Funktion, eigene Figuren und Szenarien über das Importieren von Fotos zu erstellen, lassen sich diese bei Toontastic 3D auch direkt am Tablet zeichnen.

BookCreator

Mit der App BookCreator lassen sich kinderleicht eigene eBooks in gängigen eBook-Formaten erstellen. Neben eigenen Texten können zudem diverse andere Medien in das eBook eingebunden werden. Beispielsweise Fotos, Audio- und Videodateien, geometrische Formen oder Zeichnungen. Spannend wird es bei einer Kombination unterschiedlichster Medienformate. So kann beispielsweise das Lieblingsspielzeug fotografiert werden, um es anschließend mit einer Sprechblase zu versehen. Der Inhalt der Sprechblase kann in der App zudem vom Kind eingesprochen werden.

Screenshot der App "BookCreator" zu sehen ist eine Collage.Durch die Vielseitigkeit von BookCreator ergeben sich etliche weitere Nutzungsszenarien. So könnte es in einer Kindertagesstätte oder Schule als digitales Sammelalbum, Dokumentationswerkzeug oder zur Biografiearbeit eingesetzt werden. Durch die Einbeziehung vieler Medienformate (Video-, Audio-, Bildaufnahmen) lässt sich der Entwicklungsstand eines Kindes genau dokumentieren und nachvollziehen. Book Creator (und vergleichbare E-Book-Apps) werden auch viel an im Kontext der sogenannten Unterstützten Kommunikation für nicht sprechende Schülerinnen und Schüler eingesetzt: Durch die einfache Erstellung von Tagebüchern können nicht sprechende Kinder und Jugendliche von ihren Erlebnissen zu Hause bzw. in Schule „erzählen“ und so ihre kommunikativen Möglichkeiten erweitern. Auch sogenannte „Ich-Bücher“ können mit der App schnell und einfach erstellt werden. Einen ersten Einblick in die Möglichkeiten der „sprechenden Bücher“ für die UK bietet der LIFEtool-App „Sprechende Bücher am iPad“.

Autor

Johannes Rück
Medienkompetenzzentrum Mitte/ barrierefrei kommunizieren! Berlin
Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) gGmbH
j.rueck@tjfbg.de