Teilnehmende des inklusiven Radioprojekts

Radio inklusive

Ein Radiokurs der Hörfunk- und Projektwerkstatt Leipzig, des Radio-Vereins Leipzig und der inklusiven Medienpädagogin Rose Jokic

Radio ist überall zu hören und Inklusion in aller Munde – was liegt da näher, als ein inklusives Radioprojekt zu initiieren, bei welchem Interessierte gemeinsam Radio machen können? Doch allein die Idee reicht dafür nicht aus. Menschen, die sich mit der redaktionellen Arbeit im Rundfunk auskennen, sind ebenso gefragt wie Medienschaffende, die bereits Erfahrung bei der Umsetzung von inklusiven Projekten haben. Gemeinsam mit der inklusiven Medienpädagogin Rose Jokic, der Projektinitiatorin Anja Thümmler vom freiem Sender Radio Blau und der erfahrenen Medienpädagogin der Hörfunk- und Projektwerkstatt Leipzig e.V. Katja Röckel startete Ende April der erste inklusive Radiokurs in Leipzig.

Ziel war es, eine eigene inklusive Redaktion und die erste Sendung von „Radio inklusive“ auf die Beine zu stellen und bei Radio Blau zu senden. Der erste Kurs sollte ca. zwei Monate dauern, die wichtigsten Elemente der Rundfunkarbeit vermitteln. und alle vierzehn Tage in der Hörfunk- und Projektwerkstatt stattfinden. „An obersten Stelle stand die Prämisse, dass niemand ausgeschlossen wird und wir für alle am Kurs Interessierten Möglichkeiten schaffen mitzumachen!“ – Dabei waren sich die Projektleiterinnen einig.

Flyer VorderseiteDas Team erstellte einen für alle Zielgruppen ansprechenden Ankündigungsflyer sowie ein barrierefreies PDF mit ausführlichen Erklärungen in Leichter Sprache. Die Zielgruppe des Projektes waren sowohl Jugendliche als auch Erwachsene mit und ohne Behinderungen. Um die Projektprämisse durchgehend einzuhalten und alle zu erreichen, wurde der Flyer in gedruckter Fassung in Jugendzentren, Stadtbibliothek, Uni und bei Veranstaltungen verteilt und die digitale, barrierefreie Einladung über die entsprechenden Verteiler und an Behinderteneinrichtungen, Förderschulen und Selbsthilfegruppen verschickt.

Der Flyer zum Herunterladen als barrierefreies PDF und in Leichter Sprache

Flyer RückseiteBereits bei der Anmeldung erfragten wir eventuelle besondere Bedarfe und konnten uns entsprechend auf die Möglichkeiten der einzelnen Personen einstellen. Das Redaktionsteam sollte eigentlich aus maximal zehn Personen bestehen, jedoch meldeten sich so viele Neugierige, dass der inklusive Radiokurs schließlich mit 14 Personen mit und ohne Behinderung startete. Studierende und interessierte Kulturschaffende, Menschen mit Lernschwierigkeiten, körperlich beeinträchtigte sowie blinde Menschen im Alter zwischen 17 und 50 Jahren wollten selber Radio machen und brachten großen Wissensdurst mit ins Team, um zu erlernen, wie eine eigene Sendung produziert wird.

In einer ersten Kennenlernrunde stellten die Leiterinnen das Projekt vor und besprachen das Vorgehen und die wichtigsten technischen Utensilien. Die Teilnehmenden stellten sich ebenfalls vor und brachten in diesem Zuge erste Themen ein, über die sie gern berichten wollten. Vom Interview zum bedingungslosem Grundeinkommen oder einem Bericht über ein Festival bis hin zu einer Reportage über die Musikszene in Leipzig und Beiträgen zu interkulturellen Angeboten in der Stadt – die Themenvielfalt ließ auf eine spannende gemeinsame Radioarbeit schließen.

Der Ankündigungsflyer drapiert vor Aufnahmetechnik.

Aus diesem Interesse heraus bildeten sich schon in der ersten Redaktionssitzung Teams, die fortan gemeinsame Radioarbeit erprobten und durchführten. Erste Aufnahmeversuche samt der zur Verfügung stehenden Technik zeigten allen Beteiligten – wir werden echtes Radio machen! Die Gruppen interviewten sich gegenseitig und probierten sich beim Sprechen ins Mikrofon aus. Das Mikrofon konnte von allen selbst gehalten werden, im Studio gab es jedoch auch Haltevorrichtungen. Jedes Team wurde durch eine Person unterstützt, welche sich mit der Technik auskannte und die Anwendung erklären konnte.

Alle konnten während der Erprobung in unterschiedliche Rollen schlüpfen: Mal als Interviewende, mal als Sprechende oder am Schnitt und an den Texten mitarbeiten.
Während alle die Radiowerkzeuge ausprobierten, wurden auch die Methoden des inklusiven Arbeitens ausgekundschaftet und neu definiert – so konnte beispielsweise ein Teilnehmender, der auf Grund seiner Beeinträchtigung nicht von allen verstanden wurde, seinen Radiobeitrag durchaus selbst sprechen. Eine weitere Teilnehmerin unterstützte ihn, indem sie das Gesagte für die Radiohörerinnen und Hörer wiederholte. In den nachfolgenden Treffen wurden sowohl theoretische als auch praktische Dinge der Rundfunkarbeit besprochen und angewendet.

Inzwischen wendeten die Kursteilnehmenden bereits die gelernten Techniken an. Sie gingen raus auf die Straße, machten Interviews und befragten die Passanten und Passantinnen: Die eine Gruppe zum Thema bedingungslosem Grundeinkommen und die andere Gruppe zu Musik in Leipzig. Andere blieben im Studio und arbeiteten am Schnitt oder an den Moderationstexten, machten Interviewtermine mit Kultureinrichtungen aus oder führten Studiogespräche mit eingeladenen Gästen, wofür die Auswahl der passenden Musik natürlich nicht vergessen werden durfte.
Ziel war es, am Ende des zweimonatigen Kurses eine eigene inklusive Radiosendung zu erstellen. Sie sollte vom gesamten Team mitgestaltet werden, alle sollten sich und ihre Ideen in die Sendung einbringen und schlussendlich eine interessante und unterhaltsame Radiosendung hervorbringen.

Am Ende des Kurses war klar: das Ziel wurde erreicht, denn alle waren sehr engagiert und die reservierte Sendezeit von einer Stunde reichte kaum für die vielen eingereichten Beiträge aus. In einer letzten großen Runde wurden alle Beiträge gemeinsam angehört und diskutiert, die Sendung erhielt ihren abschließenden Schliff. Alle Kursteilnehmenden waren sehr engagiert und äußerten den Wunsch weiter beim Radio mitzumachen. Das Organisationsteam hat dabei gelernt, dass Lösungen für Dinge, die zunächst als problematisch erscheinen, häufig auf der Hand liegen und in der Praxis selbst gefunden werden. Das wird am Beispiel des schwer verständlich sprechenden Teilnehmers klar, dessen Beitrag mit einer zweiten Stimme unterlegt wurde. Die Gruppe selbst hat gemeinsam mit ihm diese Lösung als gut befunden und darauf kommt es an!

Eine inklusive Gruppe bietet die Gelegenheit, dass sich alle Beteiligten gegenseitig unterstützen und somit eine Basis schaffen, auf welcher alle ihre Ideen ausprobieren können und sich bestmöglich am gesamten Prozess beteiligen. Wir werden unsere inklusive Radioredaktion fortführen und weitere Beiträge von Radio Inklusive senden.

Die Sendung kann hier abgerufen werden: soundcloud.com/jung-blau/1-radioinklusive

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Tipps und Tricks

  • Bedarfe hinsichtlich der Barrierefreiheit vorher erfragen.
  • Hilfestellung anbieten, jedoch die Gruppe gemeinsam die Lösungen erarbeiten lassen.
  • Interessen der Teilnehmenden an erster Stelle, Themen nicht vorgeben.
  • Flexibilität bei der Terminfindung.
  • Assistenzkräfte, Angehörige und Praktikanten etc. mit einbeziehen.

Die Autorin