Carina Kühne zeigt Blogprojektteilnehmern ihren Blog

Lieblingsorte in Münster

Ein Blog-Projektbericht von Nadja Zaynel

Schon lange beschäftige ich mich theoretisch mit der Frage, wie man Menschen mit Down-Syndrom die Nutzung des Internets erleichtern kann. Dabei habe ich schon einige Gespräche mit Eltern von Kindern mit Down-Syndrom als Experten geführt und mir einige Gedanken dazu gemacht, wie man Personen mit Down-Syndrom die Struktur und Komplexität des Internets vermitteln kann. Trotzdem stand ich am Anfang vor vielen Fragen und konnte auf wenig bereits Vorhandenes zurückgreifen. Klar war, dass aktiv gearbeitet werden soll und eigene Inhalte generiert werden sollen. Schnell bin ich auf die Idee mit dem Blog gekommen, denn durch mittlerweile nutzerfreundliche Blog-Plattformen ist die Erstellung eines eigenen Blogs relativ leicht, da man keine Ahnung von Programmiersprache haben muss.

Auf Themensuche

Welches Thema könnte man behandeln? Meine Ausgangsprämisse war: die Teilnehmer sollten keinen tagebuchartigen Blog verfassen. Denn ganz ehrlich, das interessiert die wenigsten Leser – unabhängig davon ob der Verfasser eine Behinderung hat oder nicht – denn der Mehrwert fehlt. Überlegt habe ich dann, was mir selber Spaß machen würde, so arbeite ich häufig. Schon immer hatte ich das Gefühl, dass ich mich in meiner Wahlheimat Münster ganz gut auskenne; daher hatte ich den Gedanken, auch andere davon profitieren zu lassen, indem man tolle Ausflugsziele oder schöne Orte in Münster vorstellt. So entstand das Thema „Lieblingsort in Münster“.

Kommunikation: Bilder statt Worte, Einfache Sprache

Die ausgesuchten Screenshots werden im Internet angegucktWeiter habe ich überlegt, wie man die häufig geringe Lese- und Schreibfähigkeit von Menschen mit Down-Syndrom beim Blogerstellen umgehen kann. Eine Kollegin sagte dann zu mir: „Mach doch einfach einen Foto-Blog.“ Na klar! Schon Brian Chicoine und Dennis McGuire, die das Adult Down Syndrome Center of Advocate Health Care in den USA leiten, sprechen in Bezug auf Medien häufig von dem überaus gutem visuellen Gedächtnis von Menschen mit Down-Syndrom. Auch die Eltern, mit denen ich zusammenarbeite berichten häufig davon, dass ihre Kinder viel und gerne mit digitalen Kameras fotografieren. So kam es auch, dass meine Sorge, ob wir genügend Digitalkameras zur Verfügung haben würden, unberechtigt war, denn jede/r Teilnehmer/in hatte eine eigene Digitalkamera. Die nächste Frage war, über welchen Weg sprechen wir die Zielgruppe an? Ich habe mich für aufklappbare Flyer entschieden, bei dem es sowohl einen Ansprachetext für die Eltern als auch für die Jugendlichen selbst gab, sprachlich jeweils an die Zielgruppe angepasst.

Mein Block – Mein Blog!

CollegeblockBlieb noch zu überlegen, wie wir einsteigen. Was ist denn das Internet überhaupt? Das frage nicht nur ich mich häufig, auch andere Kommunikationswissenschaftler sind sich noch lange nicht darüber einig, ob das Internet ein Medium ist oder lediglich eine Infrastruktur, also ein Verbreitungsweg für Medien. Wie kann man etwas so Komplexes und Abstraktes herunterbrechen?
Angefangen haben wir damit, dass wir ungefähr 20 Screenshots von beliebten Internetseiten im Raum verteilt haben. Hierbei habe ich die KIM-, JIM- und FIM-Studie zu Rate gezogen. Zum Beispiel waren Seiten wie spielaffe.de, toggo.de, youtube.com, fragfinn.de, ohrenkuss.de oder gzsz.de dabei. Jeder sollte sich einen Screenshot nehmen und kurz sagen, warum er sich diese Seite ausgesucht hat. Danach hatten die Teilnehmer Zeit sich die ausgesuchte Seite auch tatsächlich im Internet anzugucken. Dabei kamen sowohl die Digitalkameras als auch ein weiteres Tool das erste Mal zum Einsatz: der Collegeblock. Wie kann man die Struktur des Internets visualisieren, habe ich mich gefragt. Es mag sein, dass die Wortähnlichkeit von „Blog“ und „Block“ dazu geführt hat, dass ich mir dachte, man könnte sich vorstellen, dass das Internet wie eine Art Buch oder Collegeblock funktioniert. Es gibt unheimlich viele Seiten und je nachdem, welche man aufschlägt, gibt es verschiedenste Inhalte, die auch selbst gestaltet und von anderen angeguckt werden können. Die einzelnen Collegeblöcke haben wir mit bunten Post-it-Zetteln präpariert und so den Block in verschiedene Kategorien eingeteilt, die gleichen Kategorien oder man könnte auch sagen Menüelemente, die auch der Internetblog hat. Der Weg zum ausgesuchten Screenshot wurde dann Schritt für Schritt fotodokumentiert und in den Collegeblock eingeklebt. So sind wir auch bei allen anderen Fotoübungen vorgegangen, erst mal fotografieren, dann die Fotos einkleben, später auf den Internetblog übertragen.

Das Tollste an dem Projekt war auf jeden Fall die Foto-Tour durch Münster. Gemeinsam haben wir Lieblingsorte der Teilnehmenden gesammelt und uns in zwei Gruppen aufgeteilt, um möglichst viele spannende Orte in Münster fotografieren zu können. Außerdem haben wir an den Orten kurze Videos gedreht, in denen die Orte kurz erklärt werden. Leider können die Videos nicht kostenlos bei dem Anbieter WordPress hochgeladen werden, dafür benötigt man eine Premiumversion, die 60 Dollar im Jahr kostet, wofür wir leider kein Budget haben. Darüber sollte man sich unbedingt im Vorhinein informieren: Welche Tools kann man bei welcher Plattform kostenlos nutzen bzw. hat man Budget für anfallende Kosten übrig.

Alles inklusive – oder was? Ein Fazit

Blogprojekt-Teilnehmende im ComputerraumEine weitere Schwierigkeit lag schon darin Teilnehmer zu finden, die Spaß an einem inklusiven Projekt haben. Schnell gab es Anmeldungen von Jugendlichen mit Down-Syndrom, aber keine Anmeldung von Jugendlichen ohne Down-Syndrom. Ich habe viele Wege ausprobiert eine inklusive Gruppe zusammenzustellen. Begonnen haben wir damit ehemalige Projekt-TeilnehmerInnen im Bennohaus zu fragen, ob sie Lust auf das Projekt haben. Weiter ging es mit Zeitungsinseraten und der direkten Ansprache von Schulen. Die letzte Idee kam von einer sehr erfahrenen Kollegin, mal bei Kirchengruppen nachzufragen. Gefühlt habe ich mit sämtlichen Kirchenmitgliedern in Münster telefoniert, die sehr hilfsbereit und offen für mein Anliegen waren, leider ohne Erfolg. Im Endeffekt hatte nur eine der 10 Teilnehmenden kein Down-Syndrom, kannte aber einige TeilnehmerInnen durch die Schule. Nächstes Mal würde ich versuchen für das Projekt auch die Geschwisterkinder der Jugendlichen mit Down-Syndrom zu gewinnen. Anfangs war ich hierbei gehemmt, weil ich befürchtete, dass sich die Geschwister in bereits festgefahrenen Strukturen befinden würden, die im Projekt nur schwer zu durchbrechen sein würden. Allerdings gäbe es ja die Möglichkeit bei einer Partnerarbeit die Geschwister gezielt zu trennen. Obwohl der inklusive Charakter des Projekts so innerhalb der Teilnehmer fehlte, kam es trotzdem dazu, dass sich gegenseitig geholfen wurde und Berührungsängste abgebaut wurden. Zum einen hatten zwei der vier Medientrainer bislang selbst noch nicht mit Jugendlichen mit Down-Syndrom gearbeitet und zum anderen hatten wir an einem Tag Besuch von der Bloggerin Carina Kühne, die selbst Down-Syndrom hat und sehr versiert über ihre Arbeit für die Aktion Mensch berichtet hat.

Wie es weitergeht

Momentan überlegen wir, wie wir das Projekt als AG fortführen können. Vor dem nächsten Besuch in Münster, einfach mal hier vorbeischauen und Ideen holen: www.lieblingsortinmuenster.wordpress.com