Projekt Inklusion der Stadt Gütersloh

Inklusion in der Jugendförderung

Stadt Gütersloh nimmt am Modellprojekt des Landes NRW teil. Gastbeitrag von Lena Bökenhans

Jeder Mensch hat das Recht auf Inklusion, also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Dies zu realisieren, hat sich auch die Stadt Gütersloh zum Ziel gesetzt und startet mit dem Fachbereich Jugend und Bildung eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet. Als eine von sechs Kommunen nimmt sie in den kommenden zwei Jahren an dem Modellprojekt „Inklusion in der Jugendförderung“ des Landes Nordrhein-Westfalen teil.

Nachdem in der Vergangenheit der Blick der Inklusionsarbeit fast ausschließlich auf das Setting Schule gerichtet wurde, rückt nun die Jugendarbeit verstärkt in den Fokus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Arbeit in Praxisprojekten, mit denen versucht wird, neue Ansätze zu entwickeln und diese zu erproben. Der Prozess wird begleitet durch Qualifikationsmaßnahmen, Reflexionen und Evaluationen.

Auftaktveranstaltung Stadt GüterslohDas Übereinkommen der Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2006 verlangt, dass alle Menschen gleich behandelt werden und die gleichen Rechte haben: „Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter“ (vgl. § 13 SGB VIII „Jugendsozialarbeit“). Dabei stehen die Interessen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besonders im Fokus, um ihnen die gleichen Chancen zu ermöglichen. „Inklusion kann überall anfangen, hört aber nie auf“ (vgl. Montag Stiftung 2012, S. 19). Sie ist ein lebendiger Prozess, aber auch eine persönliche Einstellung/Haltung, die sich in unserem Denken und Handeln widerspiegelt.

Das Projekt „Inklusion in der Jugendförderung in der Stadt Gütersloh“ besteht aus den Bausteinen Sensibilisierung, Bestandsaufnahme, Praxisprojekten und Evaluation. Angesprochen werden sollen damit Jugendliche mit – aber ebenso auch ohne – Beeinträchtigungen, Fachkräfte in der Jugendförderung sowie Träger der Jugendhilfe.

Auftaktveranstaltung Projekt Inklusion der Stadt GüterslohIm ersten Baustein werden verschiedene Sensibilisierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt.  Als Erstes fand im November des vergangenen Jahres eine Auftaktveranstaltung für die Fachkräfte der Jugendförderung und deren kooperierenden Bereichen statt. In verschiedenen Fachvorträgen wurden zahlreiche Grundinformationen über das Thema Inklusion vermittelt.

Der andere Bereich des Bausteins richtet sich speziell an die Personen, die die Praxisprojekte durchführen. Sie bilden über den ganzen Projektzeitraum eine Arbeitsgruppe, die den gesamten Implementierungsprozess begleitet und mitgestaltet. Außerdem werden sie durch spezifische Schulungen unterstützt, dessen Aufbau sich an der Systematik des „index of inclusion“ und des „Kommunalen Index für Inklusion“ orientiert. Dabei wird auf drei Dimensionen des Index eingegangen: „Inklusive Kulturen schaffen“, „Inklusive Strukturen etablieren“ und „Inklusive Praktiken entwickeln“. Die erste Dimension zielt darauf ab, eine gut zusammenarbeitende Gemeinschaft zu schaffen, in der jedes Mitglied respektiert und geschätzt wird. Dafür sollen gemeinsame, inklusive Werte entwickelt und weiter vermittelt werden. Die Dimension „Inklusive Strukturen etablieren“ soll absichern, dass Inklusion alle Strukturen durchdringt, um dadurch die Teilhabe aller zu ermöglichen und Tendenzen zu Aussonderungsdruck zu verringern. In der dritten Dimension steht die Gestaltung von Praktiken im Vordergrund, die die inklusiven Strukturen und Kulturen widerspiegeln (vgl. Boban, Ines/Hinz, Andreas 2003 und Montag Stiftung 2012).

Fortbildungsveranstaltung Projekt Inklusion der Stadt GüterslohGestartet wurde bei den ersten Fortbildungstagen auf der sogenannten „Ich-Ebene“ (Person/Individuum), auf der es um die eigenen Einstellungen, persönliche mentale Modelle und Sichtweisen auf die Welt, sowie Annahmen, Urteile und Vorurteile geht, also um die Bereitschaft zur Entwicklung einer inklusiven Haltung. Als weiteres folgen dann die Ebenen „Sozialraum/Nachbarschaft“ (Ich mit Dir), „Einrichtung/Organisation/Initiative“, „Vernetzung“ und die „kommunale/politische Ebene“. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Basis der inklusiven Gestaltung die Tragfähigkeit der ersten Ebene ist: die Klarheit über die eigenen Handlungsmotive, die Werte und Haltungen (vgl. Montag Stiftung 2012).

Der zweite Baustein ist eine Bestandsanalyse, in der zahlreiche vorhandene Einrichtungen und Angebote der Jugendförderung untersucht werden. So soll beispielsweise erschlossen werden, welche Kinder mit Behinderungen die Angebote nutzen oder warum einige nicht erreicht werden. Dafür wurde ein Fragenkatalog entwickelt, mit dem leitfadengestützte Interviews geführt werden, deren Daten protokolliert und anschließend ausgewertet werden.
Die Ergebnisse sollen dann als Handlungsempfehlungen in den „Kommunalen  Jugendförderplan der Stadt Gütersloh 2016 – 2020“ eingehen, um die Inklusion auch nachhaltig in den Standards zu verankern.

Projekt Inklusion der Stadt GüterslohIm dritten Baustein werden zwölf Praxisprojekte durchgeführt.  Die Projekte werden entweder in städtischen Einrichtungen durchgeführt, von freien Trägern oder liegen im Bereich der „Behindertenhilfe“. Dies sind zum Beispiel eine inklusive Streetsoccerliga, ein inklusiver Jugendtreff, Angebote im Sport- und Hobbybereich oder auch eine Theatergruppe, in der beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Menschen zusammen auf der Bühne stehen. In einer das Projekt begleitenden Arbeitsgruppe werden die Projekte reflektiert und Standards von Inklusion in der Kinder- und Jugendförderung erarbeitet, sodass die Mitglieder für die Thematik sensibilisiert und qualifiziert werden.

Ein Beispiel ist das Projekt „Ferienspiele – inklusiv“. Die Ferienspiele bieten jährlich rund 5000 Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten der aktiven Freizeitbeschäftigung in den Oster- und Sommerferien. Das Angebot soll nun vermehrt dem Bedarf von Menschen mit Beeinträchtigungen gerecht werden, dabei wird sowohl an den Strukturen als auch an den Angeboten gearbeitet. Ein Teilziel dabei ist die Einrichtung einer barrierearmen Online-Anmeldung. Durch die Anmeldung via Internet ist es derzeit nicht allen Güterslohern möglich, an den Angeboten teilzunehmen, sei es aufgrund eines nicht vorhandenen Computers oder durch fehlende unterstützende Maßnahmen wie spezielle Programmierregeln für ein barrierefreies HTML. Ein weiteres Teilziel ist die Schulung der MitarbeiterInnen der Angebote, sodass die Teilnahme von mehr Jugendlichen und Kindern mit Einschränkungen erreicht wird.

Auftaktveranstaltung Projekt Inklusion der Stadt GüterslohBei dem Projekt „Rap´n´jam“ setzen sich Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen in einem Jugendtreff mit dem Thema Hip-Hop auseinander. Bei der Erstellung von Texten und Musik werden sie gecoacht, sodass eigene Lieder geschrieben und im eigenen Tonstudio aufgenommen werden können. Parallel dazu entsteht ein Musikvideo. Ziel ist es, das Gefühl des Miteinander zu entwickeln und weiter zu fördern, sowie Toleranz gegenüber anderen Altersklassen, Kulturen und natürlich Menschen mit Behinderung. Zudem steht die Begegnung junger Menschen mit Behinderung und ohne in dem Jugendzentrum im Fokus des Projektes. Gewünscht ist selbstverständlich, dass die Menschen mit Beeinträchtigungen, welche an dem Projekt teilnehmen und im Rahmen dieses die Angebote des Jugendzentrums kennenlernen, dieses auch im Anschluss besuchen.
Gestärkt mit dem neuen Wissen und vielen Erfahrungen gehen die Mitarbeiter in den Projekten in die Praxis, denn vieles lässt sich nicht nur aus Büchern lernen, wenn die Realität mit plötzlich auftretenden Ereignissen eine ganz andere ist. Und so stehen weiterhin viele Aufgaben bevor, denn Inklusion lässt sich nicht einfach abschließen, sondern ist ein immer weiter laufender Prozess.

Quellen

Vgl. § 13 SGB VIII „Jugendsozialarbeit“

Vgl. Montag Stiftung, Jugend und Gesellschaft: Inklusion vor Ort, der kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch

Vgl. z.B.  Boban, Ines/Hinz, Andreas (Hrsg.) (2003): Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln. Halle (Saale).