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Camp Nimm! +++ Session-Doku 6

Domingos de Oliveira: Einfach barrierefrei

Domingos de Oliveira ist Experte in Sachen digitale Barrierefreiheit. Er schreibt in Blog- und Buchform über das Thema und hält deutschlandweit Workshops, aktuell zum Beispiel in Berlin am 9.11.2017. In seiner Session „Einfach Barrierefrei“ gibt er einen kompakten Überblick über das Thema. Die meisten der Session-Teilnehmenden interessieren sich für das Thema, weil das Thema „barrierefreie Webseite“ für sie gerade konkret ansteht und möchten konkrete Tipps haben, was bei der barrierefreien Webseitengestaltung zu beachten ist. Domingos de Oliveira zeigt, dass Barrierefreiheit mit relativ geringen Ressourcen zu realisieren ist, wenn man sie von Beginn an mitdenkt.

Zunächst weist Domingos de Oliveira auf die große Bandbreite an möglichen Einschränkungen hin: Die Voraussetzungen von Menschen mit Seh-, Hör- und Körperbehinderung sind sehr unterschiedlich, entsprechend verschieden sind auch ihre Bedarfe in Bezug auf digitale Angebote. Darüber hinaus gibt es auch digitale Barrieren für Zielgruppen, die sich nicht so eindeutig definieren lassen, zum Beispiel für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Leseschwierigkeiten. Auch ältere Menschen erfahren Teilhabeeinschränkungen, wenn sie für sie kompliziert erscheinende digitale Angebote meiden und z. B. Schwierigkeiten haben Formulare im Internet auszufüllen. Leitendes Motto für die barrierefreie Webseitengestaltung ist: Nicht jeder hat eine Behinderung, aber alle profitieren von einer barrierefreien Gestaltung digitaler Angebote! Ziel von Barrierefreiheit ist, dass alle in gleicher Qualität von barrierefreien Angeboten profitieren.

Ein wichtiges Thema ist die responsive Webseitengestaltung, das heißt Webseiten sollten für mobile Geräte optimiert sein. Viele Menschen mit Behinderung nutzen mobile Geräte als Hilfsmittel oder bevorzugen aus verschiedenen Gründen die übersichtliche, kompakte Darstellung mobiler Geräte. Genauso wichtig ist die Trennung von Gestaltung und Inhalt. Inhalte können so für Nutzende von alternativen Ausgabegeräten (wie z. B. Braillezeilen) ausgegeben werden. Bei der Farbgestaltung sollte darauf geachtet werden, dass Inhalte auf allen Plattformen gut erkennbar sind. Es gilt auf das Mehrkanal-Prinzip zu achten. Dies bedeutet, dass Inhalte auf mehreren Kanälen wahrgenommen werden können, Text und Grafik sollten also gleichermaßen wichtig sein. Störende, grell flackernde Inhalte sollten vermieden werden, Videos nicht von selbst starten – der Nutzende sollte die vollständige Kontrolle über alle zeitgesteuerten Inhalte haben.

Tastaturbedienbarkeit ist ein weiteres wichtiges Prinzip – ein digitales Angebot sollte vollständig mit der Tastatur zu bedienen sein, das ist insbesondere für blinde Menschen, die sich nicht auf grafischen Benutzeroberflächen orientieren sehr wichtig. Für blinde Menschen, die mit einem Screenreader im Netz unterwegs sind, ist es ebenfalls sehr wichtig, dass die Inhalte übersichtlich und logisch strukturiert sind, zum Beispiel durch korrekte Überschriftenformatierungen. Screenreadernutzende können auf diese Weise von Überschrift zu (Unter-) Überschrift „springen“ und sich so einen Überblick über die Inhalte verschaffen. Für eine übersichtliche Navigation ist es weiterhin günstig, wenn die Inhalte immer gleich aufgebaut sind (z. B. Text ist immer links, Foto immer rechts platziert). Ausklappmenüs sind eher problematisch. Dynamische Elemente sollten vermieden werden und wenn nicht, dann auf jeden Fall mit der Tastatur bedienbar sein. Bei zeitkritischen Elementen sollte man bedenken, dass die Reaktionsgeschwindigkeit von Menschen mit Behinderungen aus verschiedenen Gründen sehr reduziert sein kann und es extrem frustrierend sein kann, wenn sie immer wieder aus Abläufen rausgeschmissen werden.

Bei Formularen ist es günstig, die Zahl der Felder bzw. erforderlichen Eingaben möglichst gering zu halten, um Fehlerquellen zu reduzieren. Eventbrite ist zum Beispiel empfehlenswert für das Einladungsmanagement. Webseiten sollten sich auch barrierefrei pflegen lassen. Dafür hat man eine relativ gute Auswahl an barrierefrei bedienbaren Content Management Systemen wie WordPress, Drupal, Joomla und Contao.

Barrierefreie Programmierung allein ist nicht ausreichend, auch redaktionelle Pflege ist wichtig bei der barrierefreien Gestaltung digitaler Angebote, zum Beispiel indem Texte gut strukturiert und formatiert werden, Bilder mit Alternativtexten beschriftet werden usw. Sprache sollte verständlich sein und wichtige Informationen sollten an den Anfang gestellt werden bzw. eine Zusammenfassung vorangestellt werden. Informationen in Leichter Sprache müssen von der Zielgruppe, d. h. von Menschen mit Lernschwierigkeiten, überprüft werden. Es gibt Büros und Agenturen, die Texte in Leichter Sprache verfassen und von Menschen mit Lernschwierigkeiten überprüfen lassen.

Barrierefreiheit im Internet bezieht sich nicht nur auf Text- und Grafikelemente. Auch audiovisuelle Inhalte spielen eine immer größere Rolle. Für Seh- und Hörbehinderte ist es wichtig, dass Online-Videos Untertitel und Audiodeskriptionen haben. Untertitel lassen sich mit kostenfreier Software einfach erstellen. Noch leichter geht’s, indem man die automatischen Untertitel von YouTube nutzt. Diese sind zwar oft falsch, lassen sich aber leicht anpassen und sitzen schon mal an der richtigen Stelle. Natürlich kostet die Erstellung von Untertiteln zusätzlich Zeit, jedoch ist diese nicht nur für Hörbehinderte wichtig, denn viele Menschen nutzen Videos aus unterschiedlichen Gründen ohne Ton. Audiodeskriptionen sind Beschreibungen der visuellen Elemente eines Films, die in den „stummen“ Szenen auf einer separaten Tonspur zugespielt werden.

Genereller Tipp ist: Halte dein Angebot einfach! Was lässt sich vielleicht weglassen? Eine Überfrachtung des Online-Angebots sollte vermieden werden.

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Blog von Domingos de Oliveira