Gastbeitrag von Mona Kheir El Din
Im Rahmen der berufsbegleitenden Weiterbildung Inklusive Medienpädagogik 2014 sollte ich ein Projekt umsetzen. Als Medienpädagogin hatte ich schon viele Workshops durchgeführt – nur noch nicht mit dem Fokus auf Inklusion. Eine Kollegin aus dem Pool der Inklusions-Scouts gab mir den Tipp: „Mach was mit Fotos – Fotoarbeit begeistert alle!“ Da es mein Ziel war, eine möglichst einfache medienpädagogische Betätigung anzubieten, die Kinder mit ihren Eltern auch zu Hause umsetzen können, bot sich das Medium Foto an: Kaum eine Kind oder eine Familie, die nicht schon einmal fotografiert hat – mit der Kamera, mit dem Tablet oder mit dem Handy. Da ich auch die Vielfalt in der KiTa thematisieren wollte, nahm ich mir vor, zusammen mit meinen Kolleginnen mit den Kindern und Eltern mehrere Fotospiele aus ihren eigenen Portraits herzustellen.
Günstige Projektbedingungen
Ein langjähriger Kooperationspartner, eine integrative Kindertagesstätte im nahen Umkreis, bot sich als Veranstaltungsort an. Dort fand eine unserer „Rucksackgruppen“ statt – eine Gruppe zur Förderung von Mehrsprachigkeit und Elternbildung. Den Vorschlag eines Foto-Workshops nahmen die Eltern begeistert auf – eine Teilnehmergruppe von acht Kindern und ihren Müttern entstand ohne große Werbung. Vier Kinder davon hatten besondere Bedürfnisse, die es zu beachten galt.
Inklusiv heißt auch mehrsprachig
Die Einladung wurde in arabischer, türkischer und Leichter Sprache, die jedoch aus finanziellen Gründen nicht überprüft wurde, verfasst. Grundsätzlich sprechen die meisten Eltern Deutsch, das Lesen ist jedoch schwerer als das mündliche Verstehen und so ist es angebracht, die wichtigsten Informationen auch in den Familiensprachen zu verfassen. Außerdem erfahren Eltern und Kinder auf diese Weise die Wertschätzung ihrer Familiensprachen.
Die Vorbereitung
Vorgesehen für die Erstellung der Spiele waren drei bis vier Nachmittage, da es ungewiss war, wie viel Zeit die Kinder brauchen würden, um mindestens ein Spiel fertigzustellen. Eine Produktorientierung ist für integrative Gruppen nicht zu empfehlen, in diesem Falle gab es jedoch keinen Zeitdruck, sodass eine Produktorientierung möglich war. Im Workshop sollten die Kinder den Umgang mit der Kamera einüben und sich mit der Vielfalt, die in den Fotos sichtbar wird, auseinander setzen. Ihre Eltern sollten praktisch erfahren, wie man mit Medien aktiv und kreativ arbeiten kann. Zusätzlich zu den Werkzeugen, die für einfache Fotoarbeit nötig ist, wurden eine spezielle Tablethalterung und ein Kameragriff gekauft, damit Kindern das Halten einfacher fällt und sie sich auf ihre Motive konzentrieren können. Zwischen den Workshop-Terminen hat sich das Team, bestehend aus einer Medienpädagogin und zwei medienpädagogisch geschulten Elternbegleiterinnen, regelmäßig getroffen, um zu reflektieren und den Workshop-Verlauf an die Teilnehmenden noch besser anzupassen.
„Motiv“ verstehen
Zunächst wurden Kamera und Fotofunktion von Tablet und Handy eingeführt. Alle Kinder hatten schon einmal fotografiert. Begriffe zum Thema Kamera und Foto wurden besprochen und gemeinsam mit den Eltern in die jeweiligen Familiensprachen übersetzt. Die Eltern konnten dabei eine Wortfeldliste ausfüllen, um in ihrer Sprache mit den Kindern zu Hause über das Thema sprechen zu können. Alternativ gab es ein Memory mit den genutzten Utensilien für die Kinder, die kein abstraktes Gespräch führen können.
Ein besonderer Wert wurde auf die Bedeutung von einem „Motiv“ gelegt. Anschließend konnten die Kinder Motive in ihrer KiTa aussuchen und fotografieren, die später mithilfe eines Beamers begutachtet wurden: Was sehen wir? Welches Motiv hast du fotografiert?
Porträts fotografieren
Am zweiten Termin wurde die Porträtfotografie eingeführt. Anhand von Beispielen fanden die Kinder heraus, worauf sie aufpassen mussten, damit ein Porträt gelungen ist. Wegen der Display-Größe wurde ein Tablet mit guter Kamera für die Porträtfotografie genutzt. Es wurde mithilfe einer sehr einfachen Tablethalterung am Stativ festgemacht. Dieses wurde „bombenfest“ am Boden festgeklebt. So war es für alle Kinder einfach, ein gutes Porträt von ihrer Mutter zu fotografieren. Das Überspielen auf den Laptop und das Ausdrucken vom mobilen Drucker fanden alle Kinder gleichzeitig interessant, sodass eine Aufteilung notwendig wurde: Zwei Personen gingen mit den Kindern nach Draußen zum Spielen und die dritte Person druckte mit jeweils einem Kind ein Porträt seiner Wahl aus.
Vielfalt thematisieren – Unterschiede betonen
Am dritten Termin wurden die eigenen Portraits und vom Team mitgebrachte Porträts angeschaut. Mit Fragen nach den unterschiedlichen Hautfarben, Nasenformen, Haaren und Haarbedeckungen, Alter, Geschlecht und anderen Merkmalen wurden die Kinder angeregt die Unterschiede zu entdecken, sie zu benennen und sie als normal zu betrachten.
Spiele selbst herstellen
Die Porträts wurden anschließend zu Spielen verarbeitet:
- Das einfachste Spiel war ein Memory-Spiel, bei dem Mutter und Kind zugeordnet werden. Hierfür mussten die Bilder nur ausgestanzt werden.
- Für das zweite Vielfalts-Spiel wurden die Porträts zu Streifen mit Stirn, Augen, Nase, Mund und Kinn geschnitten. Die Kinder konnten dann neue Gesichter kreieren und waren sichtlich entzückt von ihren „Kreationen“. Hierfür mussten die Kinder mit einer Schere oder einer Hebelschneidemaschine die Porträts zerschneiden, was den meisten mit Hilfe gelang.
- Für das Porträt-Puzzle wurden die Bilder kreuz und quer zu einem Puzzle zerschnitten. Mit der Schere war das eine einfache Aufgabe für die Kinder, da sie frei schneiden konnten.
Am Ende hatte jedes Kind mindestens ein Spiel, das es mit nach Hause nehmen konnten, das Memory wurde der Kindertagesstätte zur Verfügung gestellt und die Eltern hatten nun eine Idee davon, wie einfach Medienarbeit sein kann.
Tipps für die Praxis
Inklusive medienpädagogische Angebote müssen nicht schwerer durchzuführen sein als üblich. Wichtig sind eine sehr gute Vorbereitung und eine gewisse Flexibilität. Tipps:
- Erfahre so viel wie möglich im Voraus über die Teilnehmenden.
- Plane mehr Zeit für die Vorbereitung und für die Durchführung ein, baue Zwischenziele für das Endprodukt ein oder nehme gänzlich Abschied vom Fokus auf ein Endprodukt.
- Kleine Extras wie ein Buch zum Vorlesen, ein kleines Spiel zum Thema oder Assistenz-Aufgaben für Kinder sind Gold wert!
- Plane genügend Mitarbeiter ein – manche Kinder benötigen eine Eins-zu-Eins-Betreuung über einen längeren Zeitraum.