Ein Junge fotografiert, der andere gebärdet das Fingeralphabet

Inklusive Filmprojekte im Bennohaus

Gastbeitrag von Maria Frahling

Für die inklusive Medienarbeit bedarf es einiger organisatorischer Voraussetzungen. Stehen barrierefreie Räume zur Verfügung? Habe ich genügend Medientrainer und Betreuer? Was für Vorinformationen über die Kinder/Jugendliche brauche ich? Diese Fragen sollten schon im Vorfeld eines Medienprojekts geklärt sein. Seit 2007 arbeiten wir im Bürgerhaus Bennohaus mit inklusiven Gruppen in Medienprojekten. Dabei konnten wir bereit viele Erfahrungen sammeln. So empfehlen wir, auf einen entsprechenden Betreuungsschlüssel zu achten. Dieser beträgt bei uns durchschnittlich 1 MedientrainerIn je 3 Kindern/Jugendlichen. Darüber hinaus arbeiten wir mit Einverständniserklärungen, die wir in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Münster erstellt haben. So bekommen wir von den Eltern genügend Informationen über die Kinder und wissen, ob wir zusätzliche Unterstützung brauchen. Diese kann eine 1:1 Betreuungsperson sein, oder aber eine Beratung oder ein Coaching unserer MedientrainerInnen zu besonderen Betreuungsbedarfen. Unterstützt werden wir dabei von der Lebenshilfe Münster oder von SeHT Münster. Bei Medienprojekten mit Förderschulen werden diese organisatorischen Fragen zusammen mit den Lehrkräften vorab besprochen und in einem Konzept festgehalten. Prämisse: die Arbeit selbst ist nicht anders. Die Vorbereitung spielt eine entscheidende Bedeutung.

Warum eignen sich die Filmarbeit besonders gut für inklusive Gruppen?

Bei der Erstellung eines Films kann sehr gut prozessorientiert gearbeitet werden. Es gibt viele Aufgabenbereiche mit unterschiedlichen Anforderungen. Ob vor oder hinter der Kamera, alle ziehen an einem Strang und sind wichtig für das Gelingen des Filmes. Didaktisch wird an den Stärken des Einzelnen angesetzt. Ein Rollstuhlfahrer ist ideal für außergewöhnliche Kamerafahrten oder Aufnahmen aus der Froschperspektive. So wird ein Handicap zu einem Vorteil. Die Freiheit des kreativen Arbeitens ermöglicht ein optimales Anpassen an die Gegebenheiten. Zum Beispiel kann ein Storyboard von Anfang an so geschrieben werden, dass sich die Schauspieler im Sitzen unterhalten. Die Dialoge werden kurz gehalten. Bei anfänglicher Scheu vor der Kamera werden Off-Texte eingesetzt. All das sind kleine „Stellschrauben“, mit deren Hilfe MedientrainerInnen die Anforderungen an die TeilnehmerInnen zielgenau anpassen. In der Praxis zeigt sich die besondere Qualität der außerschulischen Arbeit. Wir arbeiten komplett ohne Leistungsdruck. Dazu kommt ein von Noten unverstellter Blick auf die Kinder und Jugendlichen. Einige spüren genau dies und zeigen in der Arbeit bisher unbekannte Talente. So moderiert ein sehr scheuer Schüler plötzlich munter eine ganze Sendung, oder der notorische Schulschwänzer fehlt an keinem Tag der Projektwoche und glänzt mit einem Breakdance-Auftritt.

„Kapiert!“ – Ein Filmprojekt mit Jugendlichen mit Hörbehinderung

Die aktive Medienarbeit lebt von der gegenseitigen Inspiration durch künstlerische Bereiche wie Musik, Tanz und Theater. So hat sich bei der Arbeit mit gehörlosen Jugendlichen der Ansatz an ihrer Stärke, der Körpersprache, sehr bewährt. An drei Vormittagen entstand mit der Münsterlandschule (Förderschule mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation) ein 8-minütiger Film, der komplett auf der Video-Ebene funktioniert. Nach einer Einführung in die Kameratechnik gab es am ersten Tag für alle Teilnehmer zur Einstimmung theaterpädagogische Übungen. In anschließenden kleinen Vorstellungsclips stellten sich die SchülerInnen vor der Kamera vor, indem sie ihren Namen per Fingeralphabet buchstabierten. Dazu sollten sie den Namen mit einer Körperbewegung „wegwischen“. Im späteren Schnitt wurden ihre Namen dementsprechend animiert.

Die beiden nachfolgenden Vormittage erarbeitete eine Theaterpädagogin Schritt für Schritt zwei Kurzgeschichten zum Thema „Streit und Frieden“. Sowohl das Thema als auch die Geschichten hatten die SchülerInnen selbst entwickelt. Unterstützt wurde die Theaterarbeit von einer Gebärdensprachdolmetscherin. Während der Theaterproben der Schauspielgruppe erhielt das Technikteam zeitgleich eine Einführung in die Anwendung unterschiedlicher Einstellungsgrößen. Die Betreuung und das Dolmetschen erfolgten durch die Klassenlehrerin. Die Proben und die Aufführungen filmte das Technikteam frei oder vom Stativ. Alle hatten ihre Aufgaben und es zeigte sich die Begeisterung der TeilnehmerInnen. Das Schauspielteam war kaum von der Bühne zu bekommen. Am Ende jeden Vormittages blieb noch Zeit für die Zwischenmoderation per Körpersprache und Stopptricks mit der ganzen Gruppe.
Der anschließende Filmschnitt erfolgte durch eine Medientrainerin. Sie achtete auf sehr viel Bewegung in der Video-Spur mittels schneller Schnitte und verbindender Effekte. Das machte den Film zusätzlich optisch sehr ansprechend. Auf Wunsch der Jugendlichen wurde der Film mit Musik unterlegt.

Was brauchen MedientrainerInnen für die inklusive Filmarbeit?

Es gibt nicht „die Behinderten“, sie sind keine homogene Gruppe. Das bedeutet für MedientrainerInnen eine hohe Flexibilität. Es gilt, mit dem zu arbeiten, was da ist, und bereit zu sein, sich auf Neues einzulassen. Besonders wichtig ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Unsicherheiten und Berührungsängsten. Durch das Arbeiten mit festen Zielgruppen wie zum Beispiel mit Förderschulklassen oder mit Freizeitgruppen der Lebenshilfe oder SeHT, lernen angehende MedientrainerInnen ihre anfänglichen Unsicherheiten zu überwinden. Denn „Inklusion“ ist ein gemeinsamer Lernprozess und braucht einen „langen Atem“.