Zwei Kinder und eine Frau mit einer Digitalkamera, fotografiert von oben

Der perfekte Schnappschuss

Medienprojekt in der Kindergruppe „Pünktchen und Anton“ der Evangelischen Jugendhilfe in Saerbeck. Von Marlene Horst-Hentschel

Digitale Medien sind kaum noch aus dem alltäglichen Leben wegzudenken. Auch Tablets und Digitalkameras bieten eine Vielfalt an Möglichkeiten, unsere Kommunikation zu bereichern und unseren Zugang zu Informationen zu erweitern. Auch Kinder sind mit diesen Medien ständig konfrontiert. Deshalb ist es nötig, ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen beizubringen. Ebenso gehört es zu unserer Aufgabe, Kindern die Möglichkeiten aufzuzeigen, welche ihnen die neuen Medien eröffnen. Dass man mit einer einfachen Digitalkamera oder der Kamera eines iPads mehr machen kann als „nur“ Fotos, zeigte Mediencoach Selma Brand am 30.11.2017 im Rahmen des Nimm!-on-Tour-2017-Coaching-Angebots „5 Stunden für Inklusion“.  In einem Medienprojekt in einer intensivpädagogischen Kindergruppe der Evangelischen Jugendhilfe für Kinder im Alter von 4-12 Jahren in Saerbeck, wurden zunächst zwei interessierte pädagogische Mitarbeiterinnen im medialen Bereich geschult. Nicht nur der verantwortungsvolle Umgang mit dem Medium Kamera war Thema, sondern auch welche Möglichkeiten und Chancen diese Medien bieten, um mit inklusiven Gruppen wie dieser zu arbeiten. Besonderen theoretischen Input bekamen die Mitarbeiterinnen durch das Besprechen verschiedener Fotoprojekte, welche auf das Alter der Kinder der Wohngruppe zugeschnitten waren.

Ein Beispiel war das Projekt „Was fühle ich?“, bei welchem die Kinder verschiedene Gefühle auf Fotos festhalten und daraus im Anschluss ein Ratespiel gestalten können. Selma Brand gab hierbei nützliche Tipps und Ratschläge besonders in Bezug auf die Arbeit mit den unterschiedlichen Kindern der Wohngruppe. Spannend war, dass die Mitarbeiter nicht nur auf den Stühlen saßen und zuhörten, sondern direkt an die Arbeit gehen konnten, um das Projekt selbst auszuprobieren. Hier merkten die Mitarbeiterinnen, dass es gar nicht so leicht war, Gefühle konkret darzustellen. Sie stellten fest, dass es auch den Kindern der Wohngruppe schwerfallen könnte, da es einiges an Vorstellungkraft benötigt, um sich in bestimmte Gefühle hineinzuversetzen. Hier gab Selma Brand den Tipps die Kinder zu unterstützen, indem man sie zum Beispiel anregt, eigene Erfahrungen zu nutzen. Einigen Kindern aus der Gruppe könnte es auch schwer fallen das Vertrauen zu fassen, um sich von anderen Kindern oder Betreuern fotografieren zu lassen, weshalb es auch sinnvoll sein kann, den Kindern anzubieten, Gefühlsausdrücke der Betreuer zu fotografieren.

Zwei Kinder fotografierenEin weiteres Beispiel war das Projekt „Rätselfotos“, bei dem Fotos von Gegenständen gemacht werden sollten ohne, dass ein anderer diese direkt erkennt. So sollen zum Beispiel ganz nah rangezoomte Bilder erstellt werden oder eine ungewöhnliche Perspektive vom Fotograf genutzt werden, um den Gegenstand schwer erkennbar zu machen. Nach einer kurzen Einführung und nützlichen Tipps gingen die Mitarbeiter diesmal getrennte Wege, um Rätselfotos für den jeweils anderen zu erstellen. Nach dem Rätselraten war es dann für die Mitarbeiter soweit, das eben Erlernte mit den Kindern der Wohngruppe in Rahmen eines kleinen Medienprojekts in der Praxis anzuwenden. Teilgenommen haben zwei Jungen im Alter von 6 Jahren und zwei Mädchen im Alter von 4 und 9 Jahren. Diese zeigten direkt großes Interesse am Umgang mit den Digitalkameras. Zunächst war verwunderlich, dass noch keines der Kinder jemals bewusst und gezielt Bilder mit einer Kamera gemacht hatte. Erklären ließ sich dies aber dadurch, dass sie in der „Generation Smartphone“ aufgewachsen sind und heutzutage eher eine Handykamera genutzt wird als eine Digitalkamera um einen Schnappschuss zu erzielen.

Da die Kinder den sicheren Umgang mit den Digitalkameras nicht kannten, war es wichtig, den Kindern erst einmal die Basics der Benutzung näher zu bringen. Von besonderer Bedeutung war es den Kindern zu erklären, wie sie selbstständig Bilder löschen können, um so unnötige Fotos direkt wieder zu entfernen. Zwar hatten die Kinder schnell heraus, welche Knopfreihenfolge und Symbole sie drücken müssen, dennoch stellten die Mitarbeiter es sich schwierig mit anderen Kameras vor, da drei der vier Kinder noch nicht lesen können und das Löschen der Fotos nicht auf jeder Kamera gleich funktioniert. Um den Kindern auch etwas Freiheiten in dem Projekt zu lassen, baten wir den Kindern an, 3 Rätselfotos und ein eigenes Wunschfoto zu machen. Dies kam bei den Kindern sehr gut an. Im Rahmen des Rätselfoto-Projekts wurden die Kinder in Zweier-Teams ohne Betreuer losgeschickt, um ihre Fotos zu machen. Das Team mit den älteren Kindern (6 und 9 Jahre) hatte hiermit weniger Probleme. Das andere Kinder-Team (4 und 6 Jahre) benötigte eine enge Begleitung der Betreuer, weshalb diese schnell feststellten, dass ein solches Projekt eher für Kleingruppen, als für die Gesamtgruppe der Einrichtung geeignet war.

Kinder fotografieren mit einer digitalen Kamera

Insgesamt bewerteten die Kinder dies selbst in einer Feedbackrunde als ein sehr gelungenes Projekt, da sowohl der Spaßfaktor beim Rätselraten nicht zu kurz kam, als auch der Ehrgeiz und die Kreativität geweckt wurden, DAS besondere und unerkennbare Foto zu schießen. Die Mitarbeiter beurteilten das gesamte Coaching in einer Evaluationsrunde als sehr hilfreich um eigene Medienkompetenzen zu entwickeln. Weiterhin war es nützlich, um die verschiedenen Kinder der intensivpädagogischen Kindergruppe mit ihren unterschiedlichsten Kompetenzen und Bedarfen in derartigen Projekten zu fördern und sie in ihrer inklusiven Gemeinschaft im Umgang miteinander zu stärken. Die pädagogischen Mitarbeiter wünschen sich auch in Zukunft weitere mediale Projekte mit den Kindern durchzuführen und weitere Mittel wie zum Beispiel iPads anzuschaffen zu können, um so noch mehr Möglichkeiten zu haben. Als durchaus positiv empfanden sie das Angebot von Selma Brand, weiterhin mit ihnen in Kontakt zu bleiben, um Informationen oder Hilfe sowie Anregungen für weitere Medien-Projekte zu erhalten.

Infos zur Autorin

Marlene Horst-Hentschel, Sozialpädagogin und pädagogische Mitarbeiterin der Kindergruppe „Pünktchen und Anton“ in Saerbeck (Evangelischen Jugendhilfe Münsterland)