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Camp Nimm! +++ Session-Doku 9

David Krützkamp: Leichte Sprache – Einfach barrierefrei: Schöne neue Welt?

Begrifflichkeiten wie Leichte Sprache, Einfache Sprache oder klare Sprache sind im öffentlichen Raum immer häufiger anzutreffen. Das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, weil dadurch Teilhabemöglichkeiten an vielen gesellschaftlichen Prozessen gestärkt werden – sowohl off- als auch online. Kritiker mahnen die Gefahr der Redundanz und einer Übersimplifizierung der Inhalte. Diesen Balance-Akt möchten wir gerne mit euch gehen. Wir vermitteln ganz knapp Basics Leichter Sprache, machen kurze Übungen und kommen dann schnell in die Diskussion. Was geht und was geht nicht? Und wem bringt das überhaupt was? Und was braucht`s wirklich in einem barrierefreien Internet?

Zunächst stellt David Krützkamp das Projekt NetzStecker vor. Ziel des von Aktion Mensch geförderten Projekts der Lebenshilfe Münster ist die Medienkompetenzförderung von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Mobile Medien für Kommunikation und Information sind wesentliche Bestandteile unserer heutigen Lebenswelt, Menschen mit Lernschwierigkeiten benötigen hierbei auf sie zugeschnittene Angebote, um ihre Teilhabe in der digitalen Welt zu fördern.
Das Projekt besteht aus drei Bausteinen:

  1. Beratung und Information zu allen Fragen rund um Smarthpone, Apps und Tablets: Es werden zwei kostenfreie Beratungstermine pro Woche angeboten für Menschen mit Behinderung, ihre Eltern sowie Fachkräfte.
  2. Nachrichten, Interviews und Beiträge als Podcast in Leichter Sprache: Diese werden von einer inklusiven Redaktion erstellt, mit Themenbezug auf die Stadt Münster.
  3. Vernetzung: Das NetzStecker-Team ist zum Beispiel in Wohngruppen unterwegs, vermittelt Angebote, schärft die Bewusstseinsbildung für die Bedeutung digitaler Medien für Menschen mit Behinderung und setzt sich zum Beispiel für die Einrichtung von WLAN in Wohnhäusern von Trägern der Behindertenhilfe ein.

Leichte Sprache ist dabei ein wichtiger Projekt-Baustein. David Krützkamp zeigt kurz die Unterschiede zwischen Leichter, Einfacher und klarer Sprache auf und weist daraufhin, dass nicht alle Regeln immer sinnvoll sind. Als Beispiel nennt er die Regel: „Schreiben Sie nicht Smartphone, schreiben Sie Handy.“ Technisch seien das aber zwei verschieden Dinge. Er beschreibt kurz die Grundlagen der Leichten Sprache, wie sie im Projekt verwendet wird. Diese lehnen sich an die bekannten Leichte-Sprache-Regeln an, wie man sie beim Leichte-Sprache-Ratgeber nachlesen kann, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Leichte Sprache herausgegeben hat.

Wesentliche Merkmale sind die Verwendung kurzer Wörter sowie der Verzicht auf Fremdwörter und Anglizismen bzw. deren Erklärung. Lange Wörter sollten – entgegen den gängigen Empfehlungen – nicht zwangsläufig getrennt werden, wenn – wie zum Beispiel bei Bahn-Hof – zwei Wörter mit eigener Bedeutung dabei entstehen. Für die Formatierung gelte: Schriftgröße 14 bei Zeilenabstand 1,5 verbessert die Lesbarkeit, Text soll möglichst schwarz auf weiß gedruckt sein, und wenn das nicht geht, möglichst dunkel auf hell. Bilder und Piktogramme lockern „Bleiwüsten“ auf und können nicht nur die Lesbarkeit, sondern auch die Verständlichkeit von Texten verbessern. Beliebt bei der Illustrierung von Texten in Leichter Sprache seien die Piktogramme der Lebenshilfe Bremen. Besonders für den Bereich der Medienarbeit gibt es oft keine spezifischen Piktogramme – deswegen werden im Rahmen des Projekts auch eigene Piktogramme erstellt. Gut kann man ebenfalls über Screenshots Sachverhalte verdeutlichen. Wichtig: Piktogramme sind kulturabhängig, man kann nicht von einer „universalen Verständlichkeit“ ausgehen.

Um die Medienkompetenz von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu fördern, bedarf es Informationsmaterial in Leichter Sprache. Als Beispiel nennt David Krützkamp den Facebook Ratgeber in Leichter Sprache vom CJD Erfurt, der Antworten gibt auf Fragen wie Was ist Facebook? Wie melde ich mich bei Facebook an? Was kann ich mit Facebook machen? Worauf muss ich bei Facebook besonders aufpassen? Wie kann ich Facebook sicher nutzen? Der Ratgeber ist anwaltlich geprüft und gibt Hinweise rund um datenschutzrechtliche Fragen rund um Facebook. Hier ist allerdings zu beachten, dass durch den permanenten Wandel in der digitalen Welt, Ratgeber wie diese schnell überholt sind.

Wichtig und nötig wäre zum Beispiel auch ein Ratgeber zu Handytarifen in Leichter Sprache. Der gegenwärtige Vertragsdschungel sei selbst für technikaffine Menschen undurchsichtig – was zum Beispiel ist „Datenautomatik“? So ein Ratgeber sei für alle Menschen wichtig. Datenschutzbeauftragte der Länder könnten eine Anlaufstelle für so einen Ratgeber sein. Problem: Die entsprechenden Stellen seien oft überlastet und der Ratgeber müsste von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft werden, um den Vorgaben der Leichten Sprache zu entsprechen. So einen Prüf-Service bieten z. B. die Büros für Leichte Sprache an.

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